Warum dir Thomas aus der Buchhaltung plötzlich sympathisch ist – dieser Psychologie-Trick wirkt bei jedem

Warum du jemanden umso netter findest, je öfter du ihn siehst – die Psychologie hinter alltäglichen Sympathien

Da ist dieser eine Kollege aus der Buchhaltung, den du anfangs eher… sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig fandest. Seine Art, seine Witze, sein Auftreten – einfach nicht dein Fall. Doch nach ein paar Monaten regelmäßiger Begegnungen am Kaffeeautomaten denkst du dir plötzlich: „Eigentlich ist der Thomas ganz ok.“

Hat Thomas sich verändert? Wahrscheinlich nicht. Viel eher hat dein Gehirn etwas sehr Menschliches getan: Es hat den Mere-Exposure-Effekt wirken lassen – ein psychologisches Prinzip, das erklärt, warum uns Dinge und Menschen mit der Zeit immer vertrauter und sympathischer erscheinen.

Der Mere-Exposure-Effekt: Warum Wiederholung Sympathie erzeugt

Der Mere-Exposure-Effekt – auf Deutsch auch „Effekt der bloßen Darbietung“ genannt – beschreibt ein faszinierendes Phänomen: Je öfter wir mit einem Reiz konfrontiert werden, desto positiver empfinden wir ihn. Und das meist ganz ohne bewusstes Nachdenken.

Entwickelt wurde dieses Konzept in den 1960er Jahren vom amerikanischen Psychologen Robert B. Zajonc. In seinen Experimenten zeigte er, dass Menschen Reize – von Fantasiewörtern über geometrische Figuren bis zu Gesichtern – umso positiver bewerten, je häufiger sie ihnen ausgesetzt waren. Das Überraschende: Sogar dann, wenn sie sich nicht aktiv daran erinnern konnten.

Vertrautheit = Sicherheit = Sympathie

Warum funktioniert das? Unser Gehirn liebt Vertrautheit. Alles Neue muss zunächst sorgfältig geprüft werden – ist es gefährlich, feindlich, anstrengend? Diese Prüfung kostet Energie. Sobald etwas vertrauter wirkt, stuft das Gehirn es als sicher ein. Die kognitive Verarbeitung wird einfacher, der Aufwand geringer – das fühlt sich gut an. Diese angenehme Leichtigkeit erzeugt mit der Zeit ein positives Gefühl gegenüber dem Reiz.

Beispiele aus dem echten Leben

Den Mere-Exposure-Effekt findest du überall in deinem Alltag. Hier sind ein paar typische Szenarien:

  • Im Büro: Der neue Kollege wirkt anfangs etwas seltsam. Doch mit jeder Begegnung – am Drucker, in Meetings oder in der Mittagspause – sinkt die Skepsis. Nach drei Monaten ist er fester Bestandteil des Teams. Die Sympathie kam schleichend, aber zuverlässig.
  • In der Nachbarschaft: Frau Krause von nebenan erschien dir früher griesgrämig. Doch nach Dutzenden kurzen Begegnungen im Flur oder vor dem Haus beginnst du, sie als angenehm zu empfinden. Vielleicht habt ihr nicht einmal gesprochen – aber die bloße Anwesenheit zeigt Wirkung.
  • Bei Musik: Ein Song läuft rauf und runter im Radio. Am Anfang nervt er dich, doch nach dem zehnten Hören wippst du mit dem Fuß. Diese Wandlung kennt fast jeder – und ja: Auch hier wirkt der Mere-Exposure-Effekt. Kein Zufall, sondern Strategie der Musikindustrie.

Die Wissenschaft dahinter

Eine inzwischen klassische Studie zum Mere-Exposure-Effekt wurde 1992 von Richard Moreland und Scott Beach durchgeführt. Vier Frauen nahmen an denselben Uni-Vorlesungen teil – mal gar nicht, mal fünf-, zehn- oder fünfzehnmal. Wichtig: Sie interagierten nicht mit den anderen Studenten, saßen einfach nur da. Am Semesterende baten die Forscher die anderen Studenten, die Frauen zu bewerten. Das Ergebnis: Je häufiger eine Frau anwesend war, desto positiver wurde sie eingeschätzt – ganz ohne eigentlichen Kontakt.

Grenzen des Effekts: Wann Sympathie kippt

Natürlich hat der Mere-Exposure-Effekt seine Grenzen. Wenn ein Reiz zu oft erscheint – zu präsent, zu aufdringlich –, kann der Effekt sogar ins Gegenteil umschlagen. Psychologen sprechen dann vom Overexposure-Effekt. Was anfänglich vertraut wirkte, wird plötzlich langweilig oder sogar ärgerlich.

Wichtig ist außerdem: Der Effekt funktioniert besonders gut bei neutralen bis leicht negativen ersten Eindrücken. Wenn jemand von Anfang an extrem unsympathisch oder bedrohlich wirkt, kann häufige Begegnung das Unbehagen eher verstärken als abbauen.

So kannst du den Effekt für dich nutzen

Im Berufsleben

Zeig Präsenz – subtil und regelmäßig. Oft sind es nicht die großen Gesten, die zählen, sondern die kleinen, beständigen. Ein kurzer Gruß im Flur, ein Lächeln an der Kaffeemaschine, ein zustimmendes Nicken in der Besprechung. So entsteht Sympathie wie von selbst.

Beim Kennenlernen

Regelmäßiger Kontakt schafft Nähe. Ob beim Sport, im Ehrenamt oder durch gemeinsame Interessen – wenn du Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder siehst, steigt die Chance, dass sich daraus eine vertrauensvolle Beziehung entwickelt.

Im Freundeskreis oder Verein

Geduld zahlt sich aus. Wer neu dazukommt, wird oft zurückhaltend beobachtet. Aber schon nach ein paar Wiederholungen – bei Treffen, Veranstaltungen oder Gesprächen – wird aus der Fremden eine Bekannte. Und aus der Bekannten womöglich eine Freundin.

Wiederholung wirkt – auch in der Werbung

Werbung nutzt den Mere-Exposure-Effekt gezielt. Markenlogos, Slogans oder Jingles begegnen uns immer wieder – und erscheinen uns dadurch irgendwann vertraut, sympathisch und „richtig“. Je häufiger du ein Produkt siehst, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass du es positiver bewertest – selbst wenn du es nie benutzt hast.

Social Media: Beziehung auf Knopfdruck?

Auch in sozialen Medien wirkt der Effekt. Influencer, YouTuber oder Prominente begegnen uns in Reels, Stories und Videos – teilweise mehrmals täglich. Obwohl wir sie persönlich gar nicht kennen, entsteht eine Art parasozialer Beziehung. Ihr regelmäßiges Erscheinen erzeugt ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit. Unser Gehirn macht keinen großen Unterschied zwischen digitaler Wiederholung und echter Begegnung – Hauptsache, der Reiz kommt konstant wieder.

Funktioniert der Effekt überall gleich?

Der Mere-Exposure-Effekt ist ein universelles psychologisches Phänomen – aber die Art, wie Menschen darauf reagieren, kann kulturell unterschiedlich ausfallen. In kollektivistischen Kulturen wie Japan oder Südkorea ist der Effekt besonders stark, wenn es um Gruppen und Zugehörigkeit geht. In individualistischen Kulturen wie Deutschland oder den USA spielt die individuelle Wahrnehmung einzelner Personen eine größere Rolle.

Sympathie ist kein Zufall – sie ist Gewohnheit

Der Mere-Exposure-Effekt zeigt eindrucksvoll, wie sehr Wiederholung unser Denken und Fühlen beeinflusst. Wir mögen, was wir kennen – und wir kennen, was wir sehen. Freundschaften, Beziehungen und berufliche Netzwerke entstehen viel seltener durch spektakuläre erste Eindrücke als durch stille, konstante Wiederholung.

Das ist eine starke Erkenntnis – und übrigens auch ein Hoffnungsschimmer für alle, die sich schwer damit tun, auf Anhieb gemocht zu werden. Denn oft entscheidet nicht der erste Eindruck, sondern die Ausdauer. Wer dranbleibt, gewinnt an Vertrautheit. Und aus Vertrautheit entsteht Nähe. Manchmal ist das ganze Geheimnis einfach: Sei da – und bleib da.

Sympathie ist kein Zaubertrick. Es ist Psychologie in Aktion – leise, stetig, wirkungsvoll.

Wann hast du den Mere-Exposure-Effekt zuletzt erlebt?
Im Büroalltag
Bei Social Media
Bei einem Song
In der Nachbarschaft
Beim Dating

Schreibe einen Kommentar